Es wäre ziemlich
gemein, einem Kind 100 Euro zu versprechen, das Versprechen dann für ungültig
zu erklären und dem betrogenen Kind obendrein noch 100 Euro vom Taschengeld
abzuziehen. Was meine Erfahrungen mit der Apple-Aktie betrifft, fühle ich mich
wie dieses Kind, das durchaus leicht konstruiert daherkommt (Wie alt ist das
Kind?, fragt mich mein innerer Chefredakteur. Junge oder Mädchen? Was wollte es
mit dem Geld machen? Wieso bricht Papa oder Mama plötzlich das Versprechen?) Sollte
jetzt jemand behaupten, ich sei ein „infantiler“ Investor, möchte ich nicht
widersprechen.
Ich erinnere mich
noch gut an die schöne grüne 1000 neben meiner Apple-Position, zusammengesetzt
aus Kurs- und Währungsgewinnen (der Dollar war gegenüber dem Euro stark gestiegen).
Und da ich ja endlich einmal langfristig investieren wollte, kam es mir nicht
in den Sinn, zu verkaufen – und Apple hatte ja wirklich kein besonders hohes
KGV, oder? Das KGV von Nestlé ist derzeit höher als das Apple-KGV von damals.
Auch bei meiner
Leoni-Position haben sich meine Buchgewinne weitgehend in Luft aufgelöst.
Schon richtig: Wer
langfristig investieren will, darf sich nicht ärgern, wenn Buchgewinne sich
plötzlich in Buchverluste verwandeln. Ärgere ich mich? Was Apple betrifft: ja.
Ich ärgere mich über mich selbst. Auch wenn die Aktie von den Kennziffern her keineswegs
überbewertet schien: jeder liebte sie, jeder hatte sie – wer sollte da noch
kaufen? Also hätte ich...
Aber mit hätte
und wäre kommt man nicht weiter. Man sollte also bereits im Vorfeld definieren,
unter welchen Umständen man eine Aktie verkaufen will. Wenn ich mir von Anfang
an vornehme, 10 Prozent Gewinn zu machen, dann sollte ich verkaufen, wenn diese
10 Prozent erreicht sind.
Es gibt Anleger,
die Aktien grundsätzlich zehn Jahre oder länger halten wollen – ein völlig
valider Ansatz. Solche Anleger hätten bei Apple keine Gewinne mitgenommen, und
wer die richtige Mentalität hat, ärgert sich nicht über den Absturz. Andere
Anleger nehmen regelmässig Gewinne mit, wenn eine Aktie ihrer Meinung nach zu
schnell gestiegen ist – und versuchen, später zu einem niedrigeren Preis wieder
einzusteigen. Auch diesen Ansatz halte ich für valide. Wobei es zwei Varianten
gibt: Teilverkäufe oder Verkauf der ganzen Position.
Ein Vertreter des
ersten Ansatzes wäre David Gardner, einer der Gründer des Motley Fool, der inhaltlich
mehr oder weniger sagt: „Wer garantiert mir denn, dass ich die Aktie später
wirklich billiger zurückkaufen kann? Nein, solange ich von der Zukunft eines
Unternehmens überzeugt bin, verkaufe ich nicht“ (wie gesagt, die
Anführungszeichen dienen der Dramatisierung).
Der
Teilverkaufs-Ansatz entspricht offenbar am ehesten meinem Charakter als
infantiler Investor, der sich stets ärgert, wenn Buchgewinne zu Buchverlusten
mutieren. Wobei sich Teilverkäufe nur ab einer bestimmten Positionsgrösse
lohnen. Doch wann ist eine Aktie zu schnell gestiegen? 30 Prozent in einer
Woche? 40 Prozent in zwei Monaten? Jeder, der diesen Ansatz verfolgen will, kann
das individuell entscheiden.
Sind solche
Teilverkäufe der Versuch eines Market-Timings, das sowieso zum Scheitern
verurteilt ist? Ja und nein. Denn so ganz falsch kann es ja nicht sein, nach
einem starken Kursanstieg zu verkaufen. Die einzige Gefahr besteht darin, dass
die Aktie weiter steigt.
Wichtig ist, dass
ein Anleger sich wohlfühlt mit dem Ansatz, den er gewählt hat. Du ärgerst dich
ständig über schmelzende Buchgewinne? Dann solltest du eben öfter mal
verkaufen. Das Auf und Ab deines Portfolios lässt dich kalt; du weisst, dass es
langfristig nur nach oben gehen kann? Um so besser, dann kannst du Kostolanis
Schlaftablette nehmen, um in zehn Jahren als hoffentlich reiche(r) Mann/Frau
aufzuwachen.
PS: Was ich mit den Apple-Aktien machen werde? Das nächste Mal würde ich bei tausend Euro Buchgewinn die halbe Position verkaufen...