Es ist schon
verblüffend, wie viele Klicks mein Post „Wikifolio? Nein, danke!“ in den
letzten Wochen angezogen hat, immerhin ist er über acht Monate alt. Offenbar
gibt es immer mehr Anleger, die sich für das Thema interessieren, und neutrale
Informationen lassen sich nicht leicht finden. Ganz neutral bin ich nicht, aber
neutraler als das Handelsblatt bin ich allemal. Denn das Handelsblatt ist
„strategischer Partner und Finanzinvestor von wikifolio.com“, wie auf
wikifolio.com nachzulesen ist. Da ist also nur positive Berichterstattung zu
erwarten. (Gäbe es die deutsche Financial Times noch, wäre dort vermutlich nur
negative Berichterstattung zu erwarten, da das konkurrierende Handelsblatt bei
wikifolio mitmischt. Soweit meine Meinung zur Objektivität der Presse.)
Wenn ich im Handelsblatt
lese, dass die „Social-Trading-Plattform“ Wikifolio sich immer grösserer
Beliebtheit erfreut, glaube ich das gern, denn „Wikifolio“ hat mir ziemlich
viele Klicks beschert. Ich interpretiere das Interesse an Wikifolio
folgendermassen: viele Anleger suchen einen Erleuchteten, der ihnen Anlage-Entscheidungen
abnimmt und sie mit seiner Strategie reich macht. Und dass es den einen oder
anderen Erleuchteten gibt, der andere reich macht, steht ausser Frage: Warren
Buffett ist so einer. Wer vor 20 Jahren Berkshire-Hathaway-Aktien gekauft und
bis heute gehalten hat, dem kann man nur gratulieren. Die Frage ist nur, ob mit
Wikifolio derselbe Erfolg möglich ist wie mit Aktien von Berkshire Hathaway.
Wikifolio-Fans
behaupten gerne, die Trader, deren Strategien ein Wikifolio abbildet, seien
besser als professionelle Fondsmanager. Eine schwer überprüfbare Behauptung.
Ich denke mal, dass die Wikifolio-Trader im Durchschnitt genauso gut oder
schlecht sind wie Fondsmanager. Das bedeutet: wer ins richtige Wikifolio
investiert, kann damit durchaus Geld verdienen. Wer ins falsche Wikifolio
investiert, kann Geld verlieren. Wie findet man das richtige Wikifolio? Ich
weiss es nicht. Man muss sich wohl die Strategien von möglichst vielen Tradern genau
durchlesen und schauen, ob man sie versteht und sich damit anfreunden kann. Wer
wie ich nichts mit Bollinger-Bändern anfangen kann (yep, jetzt habe ich mich
wieder als Ignorant geoutet!), der sollte womöglich nicht in ein Wikifolio
investieren, wo mit Bollinger-Bändern gearbeitet wird. Da ich kaufen und halten
bevorzuge, sollte ich eines suchen, dessen Trader nicht jede Woche tradet,
sondern eher „buy and hold“ praktiziert – solche Wikifolios existieren ja auch.
Ich persönlich
habe noch nie in ein Wikifolio investiert, habe mir aber vorgenommen, auf
onvista.de ein virtuelles Musterdepot mit ein paar Wikifolios
zusammenzustellen, nur so zum Spass. Womöglich laufen die ja besser als meine
Aktien. Sollte ich einen Trader entdecken, dessen Strategie mir zusagt, könnte
ich mir eventuell auch ein reales Investment vorstellen. Insofern hat sich
meine Meinung in den letzten acht Monaten geändert: Wikifolios generell
abzulehnen, wäre schlicht und einfach falsch.
Da Wikifolios
Zertifikate sind, würde ich allerdings sehr zurückhaltend investieren – sagen
wir mal, 2 bis maximal 5 Prozent meines Gesamtportfolios. Immerhin existiert ja
ein Emittenten-Risiko. Und so klein dieses auch sein mag: niemand sollte sein
gesamtes Vermögen in Zertifikate investieren, ob sie nun Wikifolio heissen oder
nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen